Mehr Tempo auf dem Weg zur „Schwammstadt“

Mit einer 0,5 Prozent-Initiative zu mehr Lebensqualität und Stadtgrün, Abschattung und Kühlung, urbaner Artenvielfalt und besserer Luft, Verkehrswende und Schwammstadt – quantifizier- und messbar!

Warum schlagen wir vor, dass nach Schweizer Vorbild jedes Jahr in Freiburg 0,5 Prozent des öffentlichen Straßenraums entsiegelt und mit Bäumen bepflanzt werden sollten?

Freiburg ist jetzt schon eine der heißesten Städte in Deutschland – und es wird noch viel heißer! Dringend erforderlich ist mehr Abschattung und  Verdunstungskühlung durch hitze- und trockenresistente Bäume – während asphaltierte Verkehrsflächen und Parkplätze die Stadt noch zusätzlich aufheizen. Das Konzept „Schwammstadt“ soll Dürren und Starkniederschläge abpuffern. Alle Fachleute sind sich einig, dass ein groß angelegter Umbau zur „Schwammstadt“ von Nöten ist.  Aber das Konzept „Schwammstadt“ kommt bis jetzt aus der Nische von wenigen Pilotprojekten nicht heraus. Mit einer 0,5-Prozent-Initiative würde man auch in Freiburg in die Fläche kommen.

Die Anlage von Baumscheiben im Zusammenhang mit einer Kanalerneuerung in der Grete-Borgmann-Straße im Stühlinger im Jahr 2023. In den Untergrund jeder Baumscheibe werden vier Bewässerungs- und Belüftungsrohre (schwarz) eingelassen. (Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten es gerne noch ein paar Baumscheiben mehr sein können. So kommt auf die sechs neu angelegten Baumscheiben auf der Ostseite der Straße immer noch 15 Parkplätze – und die Westseite ist weiterhin durchgängig für Pkws reserviert.)
(Foto: regioWasser e.V.)
(Foto: regioWasser e.V.)

Ein gutes Beispiel: Die Anlage von Baumscheiben im Zusammenhang mit einer Kanalerneuerung in der Grete-Borgmann-Straße im Stühlinger im Jahr 2023. In den Untergrund jeder Baumscheibe werden vier Bewässerungs- und Belüftungsrohre (schwarz) eingelassen. (Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten es gerne noch ein paar Baumscheiben mehr sein können. So kommt auf die sechs neu angelegten Baumscheiben auf der Ostseite der Straße immer noch 15 Parkplätze – und die Westseite ist weiterhin durchgängig für Pkws reserviert.)

Es ist einer der Vorteile des 0,5 Prozent-Konzeptes, dass die Taktung beschleunigt wird – und dass darüber hinaus die Ziele quantifizierbar und messbar sind: Eben 0,5 Prozent des städtischen Straßen- und Parkplatzraums pro Jahr zu entsiegeln und mit Bäumen zu bepflanzen. Diese Quantifizier- und Überprüfbarkeit der Klimaanpassung wird genau im Klimaanpassungsgesetz verlangt, das der Bundestag am 16. Nov. 2023 verabschiedet hat. Die Messbarkeit soll die Transparenz, Verbindlichkeit, Überprüfbarkeit und Wirksamkeit von Klimaanpassungsmaßnahmen gewährleisten.

Es geht uns darum, dass bei jeglichem Aus- und Umbau der unterirdischen Infrastruktur die Entsiegelung und die Baumbepflanzung in einem integralen Gesamtkonzept von vornherein mitgeplant werden sollte – beispielsweise auch bei der Neuverlegung von Abwasserkanälen. Der Ausbau der  Fernwärme ist  die mit Abstand größte Infrastrukturmaßnahme, die in Freiburg ansteht. Wenn jährlich bis zu zehn Kilometer Straßenraum für das Verlegen von Fernwärmeleitungen zum Aufriss anstehen, werden sich doch bei aller Komplexizität der unterirdischen Infrastruktur an der einen oder anderen Stelle geeignete Plätze finden lassen, wo eine Entsiegelung und Baumbepflanzung möglich sein sollte.

Weitergehende Behinderungen des Verkehrs können minimiert werden, wenn bei den ohnehin notwendigen Straßenbelagaufrissen die Entsiegelung und Baumbe-pflanzung an passenden Stellen „in einem Zug“ miterledigt werden. Passend heißt: Das dichte Leitungsnetz im Boden lässt genügend Wurzelraum im Boden zu – und Vernässungen in angrenzenden Kellerwänden können ausgeschlossen werden. Ferner muss die Bewässerung der Baumanpflanzungen (beispielsweise durch AnwohnerInnen und/oder das Grünflächenamt) gewährleistet werden. Es ist für uns bei der Einengung des Straßenraums selbstverständlich, dass für die Blaulichtdienste und die Müllabfuhr weiterhin freie Fahrt gewährleistet bleiben muss.

Bei der Verlegung von Infrastrukturleitungen ist schon bei der Planung ein prüfender Blick nach rechts und links gefragt. Wo kann in der ohnehin abgesperrten Straße noch ein geeigneter Platz für Baumanpflanzungen ausfindig gemacht werden?

Davon unabhängig sehen wir die Potentiale auch bei Parkstreifen, Gehwegen und den Bereichen zwischen schon bestehenden Baumscheiben. Und bei Erneuerungen im Zusammenhang mit dem Bau von Radstraßen und von barrierefreien Absenkungen können diese so gestaltet werden, dass das Niederschlagswasser im Bereich vorhandener oder neu zu schaffener Baumscheiben versickern kann. Das geht recht unproblematisch im Bereich der Nebenstraßen, da dort nicht oder nur wenig gesalzen wird. Das wird dankenswerterweise da und dort schon praktiziert, aber insgesamt werden diese Potenziale immer noch unzureichend erschlossen. Im Verlauf der Runzstraße gibt es übrigens schöne Beispiele wie die Versickerung von abfließendem Regenwasser schon seit Jahren (ungewollt) funktioniert.

Hält man sich im Tiefbauamt an diese Prämissen, dann erscheint es nicht ausgeschlossen, das 0,5 Prozent-Ziel zu erreichen. In Freiburg wären dies bis zu vier Hektar im Jahr. Dass das machbar ist, zeigen die Stadtklima-Initiativen in der Schweiz. In einigen Städten der Schweiz konnte unter dem Druck von beantragten Volksabstimmungen erreicht werden, dass sich die Stadtverwaltungen das 0,5 %-Ziel mit einigen Abstrichen selbst zu Eigen gemacht haben – beispielsweise in St. Gallen und in Genf.[1]

Die Bedenken des Freiburger Tiefbauamtes gegen das 0,5 Prozent-Konzept

Mit Mail am 26.01.24 hat uns das Tiefbauamt zu unserem Vorschlag folgende Hemmnisse aufgelistet:
„Die Stadtverwaltung erarbeitet derzeit auf Beschluss des Gemeinderats eine umfassende Klimaanpassungsstrategie, die auf verschiedene Klimaanpassungskonzepten und Handlungsfeldern aufbaut, so z.B. auch das auf dem Klimaanpassungskonzept Hitze basierende Handlungsfeld Regenwasser. 
Im Garten- u. Tiefbauamt entwickeln wir zudem aktuell einen Leitfaden zur Umsetzung des von Ihnen angesprochenen Prinzipes der „Schwammstadt“ und sind hier auch im intensiven Austausch mit anderen Fachämtern und Kommunen. 
Die Thematik Entsiegelung von Flächen und Schaffung von Baumquartieren die den gestiegenen Anforderungen aus dem eingesetzten Klimawandels widerstehen können stellen uns allerdings vor erhebliche Herausforderungen.
Ihren Vorschlag, im Zuge des Fernwärmeausbaus sukzessiv einen prozentual  festgesetzten Anteil an  Flächen zu entsiegeln, erschließt sich mir nicht in Gänze. Es ist in der Regel so, dass sich beim Neubau von Fernwärmeleitung über eine entsprechende Trassenplanung überhaupt erst einmal der Platz im Untergrund gefunden werden muss. Oft müssen bestehende Leitungen hierfür umverlegt werden und die Flächen für die zusätzlichen Fernwärmeleitungen sind häufig nur begrenzt verfügbar.
Da die Fernwärmeleitungen zumeist im Bereich der Fahrbahnen untergebracht werden müssen, muss im Anschluss der Verlegung die Straße wieder so befestigt werden, dass Fahrzeugverkehr abgewickelt werden kann. Potenziale für Entsiegelung der Verkehrsflächen sind bei den mir bekannten Projekten bisher nicht oder kaum entstanden.
Sollten bestehende Baumquartieren von der Maßnahme betroffen sein werden wir verstärkt versuchen, wo möglich, die Prinzipien der Schwammstadt anzuwenden und hier Verbesserungen im Zuge des Umbaus zu schaffen. Das bleibt auch nicht nur auf Vorhaben im Zuge des Fernwärmeausbaus beschränkt sondern überall dort wo wir Straßensanierungsarbeiten durchführen oder natürlich im Zuge von Neubaumaßnahmen.“


[1] Selbstdarstellung der Stadtklima-Initiativen in der Schweiz, viele weitere Informationen, Fragen-und-Antworten, Anregungen für „Mach-Mit-Aktionen“, Videos, Beispielprojekte, Pressemappen, unterstützende Promis sowie Kontakt via: https://www.umverkehr.ch/projekte/stadtklima-initiativen