Fast 10 Millionen Kubikmeter Regenwasser verschwinden in Freiburg jährlich in der Kanalisation

Ein gigantischer Verlust für die Grundwasserneubildung:

In den Städten ist der Wasserhaushalt völlig „gestört“: Eine Grundwasserneubildung findet auch in Freiburg nur noch sehr eingeschränkt statt. Denn die meisten Dachflächen sind an die Kanalisation angeschlossen. Und auch von den asphaltierten und betonierten Straßenflächen fließt das Niederschlagswasser größtenteils über die Kanalisation ab. Nach unserer überschlägigen Rechnung gehen damit der Grundwasserneubildung in einem Durchschnittsjahr rund 10 Mio. Kubikmeter Regen- und Schneeschmelzwasser verloren. Zum Vergleich: Im Wasserwerk Hausen von badenova können bis zu 20 Mio. Kubikmeter Grundwasser pro Jahr zur Trinkwasserversorgung in Freiburg und in den Umlandkommunen gefördert werden.

Gottfried Scharff, Biologe und Urgestein der Freiburg Umwelt- und Naturschutzszene, hat sich die Bestandsaufnahme zu den Dachflächen in Freiburg genauer angeschaut. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme: Mit Dachziegeln, Zinkblechen und anderen Dacheindeckmaterialien sind rund 650 ha überdeckt. Nicht berücksichtigt sind dabei die „neuen“ Stadtteile Vauban und Rieselfeld, bei denen Niederschlagswasser zumindest teilweise dezentral versickert wird. Geht man von einem mittleren jährlichen Niederschlag von 800 Litern pro Quadratmeter in Freiburg aus, kommt man auf gut 5 Mio. Kubikmeter Niederschlag, der von den Dachflächen über die Kanalisation abgeführt wird.

Von den meisten Straßenflächen läuft das Niederschlagswasser ebenfalls in die Kanalisation – und fehlt damit dem Grundwasserhaushalt. Im Statistischen Jahrbuch 2022 der Stadt[1] wird die Gesamtfläche von Freiburg mit 15.305 ha angegeben. Die Flächen für den Straßenverkehr liegen bei 844 ha. Allerdings sind nicht alle Straßen an die Kanalisation angeschlossen. Nimmt man großzügig an, dass bei 200 ha Straßenfläche das niedergehende Regenwasser über die Straßenböschungen ins Grüne abgeleitet wird, blieben noch 644 ha übrig. Die Annahme von 800 Liter Niederschlag führt dann zu einer Regenmenge von ebenfalls noch einmal 5 Mio. Kubikmetern, die über die Straßengullis pro Jahr in der Kanalisation verschwinden.

Der Bohrerbach – hier am Hochwasserückhaltebecken unterhalb der Talstation der Schauinslandbahn – entwässert den Westabhang des Schauinslandes. Die mittlere Wasserführung des Bohrerbachs beträgt in Höhe des Hochwasserrückhaltebeckens knapp über 200 Liter pro Sekunde. Das Hochwasserückhaltebecken weist bei Volleinstau ein Volumen von 200.000 Kubikmetern auf. Mit den ca. 10 Mio. Kubikmetern, die durch die Versiegelung in Freiburg dem Grundwasser jährlich verloren gehen, könnte man 50 Hochwasserrückhaltebecken wie am Bohrerbach füllen (Foto: regioWASSER e.V.)

Jetzt machen wir noch eine weitere Einschränkung: Vom Regen, der im Sommer auf heißen Dach- und Straßenflächen niedergeht, verdunstet gleich wieder ein Teil. Nehmen wir ganz großzügig an, dass jährlich eine Million Kubikmeter „verdampfen“, kommen wir zum Ergebnis, dass jährlich 9 Millionen Kubikmeter dem Grundwasserhaushalt in Freiburg verloren gehen. Das entspricht etwa der Hälfte des Wasserrechts, dass es badenova erlaubt, in seinem „Hauptwasserwerk“ in Hausen bis zu 20 Mio. Kubikmeter  zur Trinkwasserversorgung von Freiburg und zahlreicher Umlandkommunen zu fördern.

Wie können wir es noch anschaulich machen, welche Regenmengen und Schneeschmelzwässer dem Grundwasserhaushalt in Freiburg durch die Versiegelung verloren gehen? Rechnet man die 9 Mio. Kubikmeter Niederschlag, die in Freiburg in der Kanalisation verschwinden, in einen ständig fließenden Bach um, kommt man auf einen Bach mit einem Abfluss von etwa 300 Litern pro Sekunde.

Würde der Südarm des Gewerbekanals (auch „Eschholz-Runz“ genannt) das ganze Jahr über mit 300 Litern pro Sekunde durch den Eschholzpark plätschern, käme aufsummiert auf ein ganzes Jahr die Wassermenge zusammen, die dem Grundwasserhaushalt durch die Versiegelung in Freiburg verloren geht. Tatsächlich muss die Eschholz-Runz wegen der Klimakrise immer öfters wochen- oder gar monatelang abgestellt werden. Die Dreisam hat nicht mehr genügend Wasser, um jederzeit die Gewerbekanäle mit Wasser zu speisen. (Foto: regioWASSER e.V.)

Und auch hier wieder zwei Vergleiche: Der mittlere Abfluss im Bohrerbach in Höhe des Hochwasserrückhaltebeckens zwischen Günterstal und der Talstation der Schauinslandbahn liegt  bei etwa 200 Litern pro Sekunde.

Die Eschholzrunz (der Südarm des Gewerbekanals) weist am Eschholzpark eine Wasserführung von etwa 300 Litern pro Sekunde auf.

Kann man Straßenabwasser einfach versickern?

Jetzt müssen wir noch eine letzte Einschränkung machen: Nicht jedes

Niederschlagswasser, das von Straßenoberflächen abfließt, eignet sich für eine Versickerung. Stark befahrene Straßen zeichnen sich durch hohe Konzentrationen von Reifenabrieb, Bremsscheibenabrieb, Rußpartikeln, Ölen und Treibstoffresten aus. Derart stark belastete Straßenabwässer sollten zum Schutz des Grundwassers nicht versickert, sondern über die Kanalisation der Kläranlage zur Reinigung zugeführt werden. [Da auch schwere Elektro-SUVs massig Reifenabrieb produzieren, wäre das mit ein Grund, auf leichtere E-Mobile umzusteigen – oder gleich das Fahrrad zu benutzen.]

Als stark belastet wird Straßenablaufwasser eingestuft, wenn es von vierspurigen Straßen oder von Straßen stammt, auf denen mehr als 5.000 Pkw pro Tag verkehren. Dazu gehört in Freiburg beispielsweise die B31 entlang der Dreisam. Aber bei allen zweispurigen Straßen in Freiburg gilt die Prämisse, dass das dort ablaufende Niederschlagswasser über Versickerungsmulden mit einer 30 cm mächtigen Absorptionsbodenschicht ins Grundwasser versickert werden kann.[2] Wenn man also von den Hauptverkehrsachsen in Freiburg absieht, könnten auf dem Weg zur Schwammstadt die meisten Straßen – und die Gehwege sowieso – schrittweise von der Kanalisation abgekoppelt werden. Unsere „0,5 Prozent-Initiative“ wäre ein systematischer Beitrag, um auf ausgewählten Straßenabschnitten das „Straßenoberflächenwasser“ sowie das abfließende Niederschlagswasser von Geh- und Fahrradwegen wieder dem Grundwasser zuzuführen.

Wir hoffen, dass die Stadtverwaltung bei Ihrem Schwammstadt-Konzept zu unseren überschlägigen Berechnungen und Abschätzungen genauere Zahlen vorlegen kann.

Ist es ein Problem, wenn das Niederschlagswasser von Dächern, Straßen und Gehwegen in der Kanalisation verschwindet?

In den meisten östlichen Stadtteilen und in der Innenstadt liegt der Grundwasserspiegel zehn Meter unter Flur oder noch tiefer. So tief reichen in aller Regel keine Baumwurzeln. Selbst wenn man durch das Schwammstadtkonzept den Grundwasserspiegel um einen Meter anheben könnte, würden die Wurzeln der Bäume das tiefliegende Grundwasser immer noch nicht erreichen. Weshalb ist es dann trotzdem angesagt, durch mehr Niederschlagwasserversickerung den Grundwasserhaushalt zu stützen? Es ist gleich aus mehreren Gründen wichtig:

  • Das Oberflächenwasser, dass dem Grundwasser statt der Kanalisation zugeführt wird, reduziert die Überlastung des Kanalsystems und der Großkläranlage in Forchheim bei „Starkniederschlagsereignissen“. Auch die Gefahr von volllaufenden Kellern im Stadtgebiet wird damit reduziert.
  • Aus dem versickernden Niederschlagswasser („Sickerwasser“) versorgen sich die schwer strapazierten Stadtbäume mit dem (über-)lebensnotwendigen Nass.
  • Der Hauptgrundwasserstrom in Freiburg bewegt sich in nordwestlicher Richtung. Dort stockt der Mooswald, der in den letzten Jahrzehnten von zunehmendem Grundwassermangel betroffen war. Auch die tiefliegenden Feuchtgebiete im Westen von Freiburg sind wegen der zurückgehenden Grundwasserneubildung in Freiburg schwer geschädigt. Jeder Kubikmeter Regenwasser, der nicht über die Kanalisation abgeleitet wird, kann zur Regeneration des Mooswalds und der Feuchtgebiete im Westen von Freiburg beitragen! [1]


[1] Siehe: https://www.freiburg.de/pb/207932.html, S. 12

[2] Siehe: Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und des Umweltministeriums über die Beseitigung von Straßenoberflächenwasser (VwV- Straßenoberflächenwasser) vom 25. Januar 2008 – Az.: 63-3942.40/129 und 5-8951.13

[3] Blöd nur, dass man baurechtlich zugelassen hat, dass im Stadtteil Landwasser (sic!) Reihenhäuser und Bungalows ausgerechnet in tiefliegenden ehemaligen Dreisamschlingen gebaut werden durften. Soweit diese Häuser nicht mit „Weißen Wannen“ gegen eindringendes Grundwasser gesichert wurden, sind die dortigen HausbesitzerInnen am Rande des Wahnsinns: Nachdem die entwässernde Regenwasserkanalistion repariert und Baudrainagen stillgelegt worden sind, ist der Grundwasserspiegel in Landwasser wieder so weit angestiegen, dass in den ehemaligen Dreisamschlingen die Keller und Mauern der dortigen Häusern vernässen und Immobilienwerte vernichtet worden sind. Der Stadtteil Landwasser wurde in den 1960er Jahren in einem ehemals sumpfigen Mooswaldareal errichtet. Um überhaupt Bauen zu können, war das Areal seinerzeit mit Baudrainagen entwässert worden.